Jeder zehnte Tscheche wohnt in Prag. Kein Wunder also, dass sich in unserem östlichen Nachbarstaat vieles auf die Hauptstadt konzentriert. Hier in Prag begann der sogenannte Prager Frühling im Jahr 1968 und im November 1989 nahm die Samtene Revolution ihren Lauf, mit der die kommunistische Diktatur endgültig aus dem Land vertrieben wurde. So spiegelt sich auch die wechselhafte Geschichte Tschechiens in seinen wichtigsten Sehenswürdigkeiten wider. Doch Prag hat nicht nur Kultur und Geschichte zu bieten. Vor allem am Wochenende schieben sich Touristenströme – etwa Männergruppen auf Junggesellenabschied – durch die Stadt und testen, wie viel des berühmten tschechischen Biers sie vertragen können. Für alle Geschmäcker ist bei unserer Top 10 der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Touristenattraktionen etwas dabei.
1. Karlsbrücke
Noch vor wenigen Jahren wurde die Karlsbrücke (Karlův most) aufwändig saniert, was vielen Besuchern den Blick auf diese historische und populäre Brücke vermieste. Inzwischen dürften die Bauzäune abgebaut sein und zu sehen sind wieder die Skulpturen von Heiligen und Patronen aus der tschechischen Geschichte, darunter der Heilige Johannes von Nepumuk, der einer Sage nach an jener Stelle im Jahre 1393 in der Moldau (tschechisch: Vlatava) ertränkt worden sein soll. Interessant für Touristen an dieser Staue: Wer die Bronzeplatte zu Füßen des Märtyrers berührt, kehrt angeblich nach Prag zurück. Geschichtsträchtig ist das Bauwerk zudem, weil der Weg der böhmischen Könige bei ihrer Krönung über eben diese Brücke führte. Das Denkmal wird vor allem tagsüber stark frequentiert und lädt nicht gerade dazu ein, schnell von einer Seite der Moldau auf die andere zu gelangen. Hier können sich sich eine Live-Webcam mit Sicht auf die Karlsbrücke ansehen.
2. Auf den Spuren Kafkas
Das literarische Genie Franz Kafkas (1883-1924) ist unter den Deutschen unbestritten. Doch genau genommen war der Literat kein Deutscher oder Österreicher, sondern ein Tscheche, auch wenn er in deutscher Sprache schrieb, die damals in der königlich und kaiserlichen Monarchie in Prag von circa zehn Prozent der Bevölkerung gesprochen wurde. Sowohl Kafkas Geburtshaus am Marktplatz der Altstadt als auch seine Grabliege können in Prag besichtigt werden. Kafka selbst sprach einmal aus: „In diesem kleinen Kreis ist mein ganzes Leben eingeschlossen“ und meinte damit den Altstädter Ring, denn von Geburt an lebte und arbeitete Kafka ausschließlich in der Altstadt Prags. Etwas weiter entfernt, aber noch in der Stadt befindet sich Kafkas Grab auf dem neuen jüdischen Friedhof in Prag-Strašnice. Das schriftstellerische Ausnahmetalent war im Alter von nur 40 Jahren nach langer, schwerer Tuberkulose-Erkrankung 1917 verstorben. Kafka hinterließ nur drei Romane, darunter das Fragment „Der Process“, aber auch zahlreiche Erzählungen.
3. Altstädter Astronomische Uhr
Auch unter dem Namen „Prager Rathausuhr“ oder „Aposteluhr“ bekannt, prangt die astronomische Uhr (Staroměstský orloj) an der Südseite des Rathauses in der Altstadt und ist zu jeder Tageszeit von einem Blitzlichtgewitter erleuchtet. Bereits im Jahre 1410 wurde diese astronomische Uhr installiert, jedoch in den folgenden Jahrhunderten immer mehr erweitert. Die obere Uhr zeigt den Sonnen- und Mondlauf und den Verlauf der Tierkreiszeichen an. Darüber hinaus werden viele weitere astronomische Daten geliefert, wie etwa der Stand der Planeten im Tierkreiszeichen oder auch seltenere Ereignisse wie Tag- und Nachtgleiche. Das untere Ziffernblatt zeigt als Kalendarium Monate und Tage an. Über den Uhrblättern wurden zu einem späteren Zeitpunkt noch die Figuren der zwölf Apostel installiert, die sich zu jeder vollen Stunde zeigen. Alles in allem gilt diese astronomische Uhr als Bravourleistung der Wissenschaft und Technik zu Zeiten der Gotik.
4. Wenzelsplatz
Benannt nach dem Heiligen Wenzel vom Böhmen, dem auch ein Nationalfeiertag am 28. September gewidmet ist, erstreckt sich der Wenzelsplatz (Václavské náměstí) über 750 Meter Länge innerhalb der City von Prag. Obwohl er damit einen der weitläufigsten innerstädtischen Plätze des ganzen Kontinents darstellt, hat er doch nur eine Breite von mageren 60 Metern. Der Platz ähnelt also eher einem langen Schlauch. Im Mittelalter, kurz nachdem der Platz angelegt worden war, wurde hier überwiegend Pferdehandel betrieben, wieso die Prager ihn auch zunächst „Rossmarkt“ nannten. Tragische Berühmtheit erfuhr der Platz, als sich am 16. Januar 1969 der tschechoslowakische Student Jan Palach selbst verbrannte, um ein Zeichen gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings zu setzen. Fröhlicher sind die Erinnerungen an einen Balkon über dem Wenzelsplatz, an dem 1989 unter anderem der spätere Präsident Václav Havel die Demokratisierung forderte. Dieser Traum jedenfalls ging in Erfüllung.
5. Petřín
Der in der deutschen Bezeichnung „Laurenziberg“ genannte Hügel erstreckt sich entlang des westlichen Ufers der Moldau. Mit 327 Metern Höhe ist er Naherholungsgebiet der Prager und Stätte zum Sporttreiben zugleich. Denn wer den Hügel erklimmen möchte, kann gehörig ins Schwitzen kommen. Alternativ steht eine bereits 1891 in Betrieb genommene Seilbahn zur Verfügung, die den Besucher ohne größere körperliche Anstrengungen auf den Hügel befördert. Fast vollständig bewaldet, bietet der Petřín genügend Schutz vor der sommerlichen Sonne und lädt ein, nach einem harten Arbeits- oder Sightseeing-Tag entspannt durchzuatmen. Auf der Kuppe des Hügels können Sie sich dafür entschädigen, dass Sie noch nie in Paris waren, denn dort steht ein Aussichtsturm, der in weiten Teilen eine Nachbildung des Eiffelturms ist, nur sehr viel kleiner und weniger pompös.
6. Böhmische Küche
Schweinebraten mit Knödeln und Sauerkraut. Das klingt aufs Erste nach urdeutscher Hausmannkost, doch es ist das inoffizielle Nationalgericht der Tschechen. Jeder, der sich kulinarisch in Österreich, Ungarn oder Süddeutschland beheimatet fühlt, wird die tschechische Küche lieben, denn sie ist mit der Kochkunst der genannten Nachbarstaaten eng verwandt. Deftig, fettig und reichhaltig kochen die Tschechen noch immer. Neben den berühmten böhmischen Knödeln („knedlíky“) dürfen es auch gerne Kartoffeln in Reinform oder Püree sein, die als Sättigungsbeilage serviert werden. Dunkle Soßen gehören fast immer dazu, genauso wie reichlich Fleisch, vorzugsweise vom Schwein. Gerade in Prag finden Sie an jeder Ecke ein günstiges Restaurant mit leckerer einheimischer Küche.
7. Alter Jüdischer Friedhof
Zwar ist der jüdische Schriftsteller Kafka nicht auf diesem Friedhof begraben, sondern auf dem neuen jüdischen Friedhof weiter außerhalb, doch sehenswert ist der alte Friedhof der Prager Juden allemal. Obwohl das Gräberfeld lediglich rund 10.000 m2 groß ist, sollen hier die Gebeine von circa 100.000 Menschen liegen. Allerdings existieren dazu nur 12.000 Grabsteine. Aufgrund des Platzmangels und weil man innerhalb des jüdischen Ghettos keine Erweiterungen des Friedhofs vornehmen konnte, sind die Toten in den Gräbern in bis zu zwölf Lagen übereinander geschichtet. Der letzte Tote wurde hier im Jahre 1787 beigesetzt, seitdem ist der Friedhof statisch. Lesenswert zum Thema ist Umberto Ecos Roman „Der Friedhof in Prag“, der sich mit dem Thema antisemitischer Pamphlete befasst. Das „Protokoll der Weisen von Zion“ hatte Anfang des 20. Jahrhunderts Hass auf Juden verbreiten wollen und nahm auf dem Alten Jüdischen Friedhof Prags Bezug.
8. Prager Burg
Das besondere an der Prager Burg (hrad) – abgesehen von ihrer Imposanz – ist ihre Stellung als größte geschlossene Burganlage des gesamten Planeten. Strategisch klug liegt sie auf einem Berg, dem Hradčany, den Sie erst einmal erklimmen müssen, wollen Sie das Burgareal besichtigen. Von diesem Punkt hat der Besucher von verschiedenen Punkten aus eine grandiose Sicht auf Prag. So sehr sich auch das Aussehen der Burg durch viele An- und Umbaumaßnahmen über die Jahrhunderte hinweg verändert hat, früher wie heute war und ist die Burg Sitz des tschechischen Staatsoberhaupts, aktuell Václav Klaus. Doch nicht alle politischen Akteure wurden pfleglich behandelt auf dem Hrad. Im Zuge des als „Zweiter Prager Fenstersturz“ bekannten Aufstands gegen die Obrigkeit wurden 1618 zwei Statthalter des österreichischen Kaisers zu Tode gestürzt. Damit begann in den Augen vieler Historiker auf der Prager Burganlage der Dreißigjährige Krieg.
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9. Stadtteil Malá Strana
Der im deutschen „Prager Kleinseite“ genannte Bezirk war vor seiner Eingemeindung 1784 eine eigenständige Stadt. Er liegt auf der westlichen Moldau-Seite gegenüber der Altstadt und wird mit dieser durch die Karlsbrücke verbunden. Im Mittelalter war dies vor allem das Zentrum der Deutschen, was auch erklärt, wieso sich seine deutsche Bezeichnung bis heute erhalten hat. Genießen Sie in den Abendstunden, nach Einbruch der Dunkelheit, die gemütliche Atmosphäre des Stadtteils mit seinen nostalgischen Straßenlaternen und den unebenen, gepflasterten Straßen. Das besondere an Malá Strana: Zweimal brannte der Stadtteil in der Vergangenheit in großen Teilen ab, protzige Paläste und Kirchen wurden anschließend errichtet, die das Bild des Bezirks heute prägen. Nicht weniger als sieben Kirchen sind alleine in diesem Teil Prags zu besichtigen. Für diejenigen, die sich vor allem für die christlich-architektonische Seite Prags begeistern, also ein Muss.
10. Tschechisches Bier
Nicht nur Deutschland ist für seine Bierkultur berühmt, auch Tschechien kann auf eine lange Brautradition zurückblicken. Das „Pilsner Urquell“ beispielsweise stammt aus der westböhmischen Stadt Plzeň, in der auch die Werke des Autobauers Škoda stehen. Dieses Bier gab der Pilsner Brauart seinen Namen, nach der heutzutage auch rund 70 Prozent der in Deutschland produzierten Biere gebraut werden. Auch weithin bekannt und in jeder Kneipe erhältlich sind Marken wie „Budweiser“ und „Gambrinus“. Letzteres ist nach dem legendären König Gambrinus benannt, der angeblich der Erfinder des Bierbrauens sein soll. Die Tschechen haben übrigens mit 159,3 Litern pro Jahr (2009) den höchsten Pro-Kopf-Verbauch an Bier in der ganzen Welt. So lassen es sich die Tschechen auch nicht nehmen, ihr Lebenselixir selbst zu zapfen. Etliche Bars in Prag sind mit Zapfsäulen an den runden Tischen ausgestattet. Von daher entfällt das lästige Nachbestellen und Warten. Prost – oder wie die Tschechen sagen: Na zdraví!
Zum Schluss noch ein wohlgemeinter Rat für deutsche Touristen: Aufgrund der wechselseitigen Besatzung Tschechiens durch Deutsche und später auch durch Russen, sollten Sie nicht erwarten, man antworte Ihnen auf Deutsch oder auch auf Russisch. Zu tief sind die Narben und obwohl die Einheimischen Sie eventuell verstehen und nachvollziehen können, dass Sie kein Tschechisch beherrschen, sind die Prager nicht unbedingt gewillt, Deutsch oder Russisch auch aktiv zu benutzen.